Mittwoch 10 Juli 2013

Heute steht der Falkenstein auf dem Programm. Aber zuerst gab es mit Quark gefüllte Blinis und gezuckerte Himbeeren aus dem Garten. Gestern hatte Dora am Wegrand Waldheidelbeeren gekauft – sie passten auch gut zum Frühstück.

Kurze Fahrt nach Nowoselicja, einem Bergdorf an der slowakischen Grenze. Wir lassen den Wagen gegenüber der neuen Schule stehen. Mittlerweile baut man zu Schulen eine kleine Kapelle hinzu.

Wir wandern erst durchs Dorf bergauf über endlose Kuhfladen. Tief ausgefahren  sind danach die sandigen Wege. Muss fruchtbar sein bei Regen. Aber jetzt brennt die Sonne.

Ich ahne es – das Tempo der Gruppe wird mir zu schnell, zu anstrengend in der Hitze. Laut Alissa soll es später sogar noch heftig steigen. Es ist schwierig in den tiefen und steinigen Fahrrinnen zu gehen.

Nach 1 Stunde erreichen wir einen Picknickplatz. Nach der Pause beschließen Dorothea und ich doch noch weiter zu gehen. Wir werden es schon schaffen.

Na dann, jetzt haben die schweren Baumernter volle Arbeit geleistet. Der Weg ist völlig ruiniert. Alissa ist den Tränen nahe. Es war der einzige gute Aufstieg zum Falkenstein.

Wasser und Matsch zwingen uns zum ständigen Hin-und her-Ausweichen. Der Vierburgenweg zwischen Emmendingen und Landeck ist im Vergleich die Champs-Elise.

Gegen elf gibt Dorothea auf und ich schließe mich ohne Bedauern dem Rückweg an. Mut zur Lücke – dann waren wir eben nicht auf dem Gipfel.

Nun wird’s richtig urig. Wir umgehen den Weg und nehmen das Gestrüpp. Langsam und vorsichtig – passieren darf hier nichts, wir sind allein. Das Ganze ist nur mit meinen Urwaldtrips vergleichbar. Ohne meine Stöcke wäre ich verloren, denn hier sind lange Beine eindeutig von Vorteil.

Ich male mir aus, was passiert wenn wir uns verlaufen. Gottlob habe ich das Ortsschild fotografiert. Das könnten wir dann herzeigen. Allerdings – hier ist weit und breit weder Wolf noch Mensch.

Dafür flattern Scharen von Schmetterlingen auf den sonnigen Pfützen. Wir haben alle Muse zum Fotografieren. Überhaupt genießen wir es sehr, dass wir nur zu zweit sind. Ruhe, Beschaulichkeit, Genuss pur. Sogar vorher bei der haarigen Abstiegsstelle.

Im Dorf stießen wir auf Dora, die nur ein kurzes Stück mitgegangen war, denn ihr armes Bein wollte nicht.

Auf dem Weg zum Cafe stießen wir auf einen skurrilen Alten mit einem  Astgabelstock wie ihn die Drachenwächter auf der Insel Rinca hatten. Unter dem Vorwand ich wolle den Stock fotografieren ließ er sich gerne aufnehmen, dann aber noch mit Dora und auch noch mit mir. Sein Tag war gerettet.

Wir suchten lange nach dem Cafe, denn dieses Haus hielten wir für einen Frisör-laden. Man fragt sich durch mit der bewährten Gestik. Tische mit bunten Plastikdecken. Ein Laden mit ganz breitem Wodka und Bierangebot wie Tuborg und Heinecken. Dafür weniger Gemüse, nur Tomaten, Paprika und Kohl. Aber hinter dem Tresen stand eine hochmoderne Espressomaschine. Und der schmeckte einfach  super.

Dann kommen die Falkensteinbesteiger noch zur guten Rast. Schon vorher aber wussten die drei Gäste im Lokal, dass wir zu Alissa gehören. Wahrscheinlich wusste es längst das ganze Dorf. Sie waren ja alle sehr freundlich und hilfsbereit. Jedenfalls wurden wir nie beäugt wie ein seltenes Tier. 

Kurze Fahrt zum Schwefelbad. In einer Hütte steht ein großer Holzzuber. Drei Personen haben bequem Platz. (Otto hätte das wohl gerne enger gehabt). Daneben derselbe Zuber mit dem tiefen kalten Wasser. Auf den habe ich verzichtet, denn die Gaudi des Herausziehens von Gerti gönnte ich denen dann doch nicht.

Auch hier wurde anschließend aufgetischt. Köstlicher Krautsalat. Gurke, Tomate, Paprika. Später kamen Schüsseln mit kleinen gegrillten Schweinebröckchen dazu. Das Beste aber waren die Kartoffeln aus dem Feuer. Lauschig plätscherte hinter uns der Bach.

Für den Moment habe ich den Eindruck, dass dies die schönste all’ meiner Reisen ist.

Alissa kümmert sich unglaublich um uns. Schön sieht sie aus mit ihrem ukrainischen Geflecht um den Kopf. Bei der Staatschefin Julia Timoschenko fand ich diese Frisur merkwürdig aber sie scheint hier in Mode zu sein.

Am Abend verwöhnte uns Halina mit Hühnerleber und Kartoffelpüree. Ohne Milch – wegen Dora aber trotzdem schmackhaft. Rote Rübensalat zum sich zu Tode essen und anschließend Himbeeren mit Sahne. So ganz nebenbei gibt es die vier obligatorischen Wodka wobei mir Halina beim Einschenken immer verschwörerisch zuzwinkert.

Wir vertreten uns die Beine beim Gang durchs Dorf. Fast überall dieselbe Bauweise. Wie in Italien dominieren auch hier die Pyramidendächer. Ab und zu ist auch mal was halb Verfallenes dazwischen. Liebevoll gepflegte Gärtchen. Vieles ist mit Wein umrankt. Auch hier gedeihen die schönsten Feuerlilien.   Es gibt mehrere kleine „Krämerläden“. Am Straßenrand wird eine Kuh geweidet. Jemand steht dabei und passt auf, dass sie nicht überfahren wird, denn von den 50 km/h in Ortschaften ist man hier etwas entfernt. Es wird gnadenlos gerast.

Auf unserem Weg zur Hauptstraße begrüßten uns gleich am ersten Tag die „guten-Abend-Kinder“. Fünf oder sechs, im Alter zwischen 5 und etwa 11 Jahren begrüßen uns immer auf Deutsch. Sie hängen an der Turnstange, spielen Karten auf der Haustreppe, radeln herum. Sie sind fast immer da, denn derzeit sind Ferien. Roman der Älteste und gewitzteste sprich einigermaßen Deutsch und ist immer zu einem kleinen Schwatz bereit.

Auch andere Dorfbewohner versuchen radebrechend mit uns zu reden. Alissa ist bekannt. Wir wohnen bei ihrer Tante. Heute fiel mir auf, dass das Ukrainische viel weicher ist als das Russische. Die Kyrillischen Buchstaben kann ich trotz einiger Lernanläufe immer noch nicht. Von früher sind mir noch l, h, n, sch geläufig aber  damit kann man natürlich nicht lesen.

Aber ich kann sagen: dobre denj und djakuju – in unserem Fall das wichtigste Wort: danke.